Ich empfinde es als Glück, dass ich nicht auf eine Schablone festgelegt bin. Viele pflegende Angehörige sind das. Sie haben so umfängliche Pflegeverantwortlichkeiten, dass kaum etwas anderes Raum hat, Zeit hat, Muße sowieso nicht. Natürlich sind auch sie Frauen, Freundinnen, politisch Engagierte, Liebende, Sprachkünstlerinnen oder ganz anderes. Oder sie sind das alles mit anderer Gender-Zugehörigkeit. Aber die Person, die etwa ein Intensiv-Pflege-Kind versorgt, die hat EINE Mega-Schablone. Die anderen Schablönchen leben auf engstem Raum.
Die Betreuungssituation unseres behinderten Sohnes ist seit der Krippe bis heute, 4. Klasse, (in der Regel) ausreichend stabil und meine Selbstständigkeit (meist) ausreichend flexibel, dass ich mich trotz pflegender Mutterschaft weiterhin in der Business-Schablone tummele.
In der Schablonen-Umkleide jedoch zerbrösele ich nicht selten. Die enge Begleitung unseres Sohnes lässt mich mal zu kraftlos, mal zu sorgenvoll, mal zu entnervt, mal mit zu schlechtem Gewissen, mal mit zu vielen Speichel-Spuren auf dem Sakko, mal viel zu müde die Business Schablone überstreifen. Selten fühle ich mich empathisch, kreativ, eloquent genug für mein Business. Nie so, wie ich es von früher kenne. Wie ich mir die Business-Schablone eigentlich wünsche.
Meine Schablonen kanibalisieren sich. Manchmal schaffe ich es etwas zerzaust mit nur einer Schablone aus der Umkleide heraus. Manchmal schleppe ich auch beide durch den Tag und fühle mich zerrieben zwischen meinen beiden Hauptrollen …