Einmal in fünf Wochen, ja, momentan ist das realistisch, schaffen mein Liebster und ich es, abends wegzugehen. Ohne Kinder, klar.
Für morgen haben wir Theaterkarten. Wann waren wir zuletzt dort – ich erinnere mich nicht. Es ist also etwas Besonderes. Und H&M sind erkältet.
M hat eine näselnde Stimme, schnarcht nachts ein bisschen, mal ist die Nase verstopft, mal läuft sie, beides zusammen geht irgendwie auch. Morgens und abends darf sie den Pariboy genießen, wenn wir gewissenhaft genug sind. Das war’s. Das schafft die Kindersitterin selbstredend.
H und der Monster-Schnupfen
H hat seit eh und je einen engen Hals-, Nasen-Rachenraum und nimmt jeden Infekt dankend auf. Hat er einen Schnupfen, dann ist er ein anderer Mensch.
Die Nase ist dann so zugeschwollen, dass er ohne Hilfsmittel keine Luft mehr durch sie bekommt. Auch wenn die Lunge komplett frei ist, verursacht der Nasenschleim einen permanenten Hustenreiz – die Anfälle kommen in kurzen Abständen. Was machen wir?
- Damit er sich beim Husten nicht übergibt, lenken wir ihn ab: „Und einen Arm hoch, H!“, „Wo ist das Fenster?“, „Guck mal, was ich hier habe …“
- Wir saugen ihn ab mit einer professionellen Absaugpumpe
- Er inhaliert nicht nur wie M zweimal täglich NaCl, sondern auch Cortison
- Er bekommt – viel zu viele – Nasentropfen, aber es hilft einfach nix anderes. Engelwurz ist schön, machen wir auch, ist aber für H‘s Schnupfen eher eine Bagatelle.
- Wenn H so schnupfig ist, dann schafft er es noch weniger als sonst, seine Spucke zu schlucken, sabbert also viel. Gewischt wird eigentlich immer.
Darf ich ausgehen?
Kann ich diese Liste an Aufgaben der Kindersitterin zutrauen und vor allem zumuten? Wäre H drei Mal im Jahr mit einem seiner Monster-Schnupfen geschlagen, würde ich sofort „Nein“ rufen. Und gleich noch: „Ich kümmere mich natürlich selbst um mein krankes Söhnchen.“ Der Schnupfen ist aber eher zehnmal oder noch häufiger in der Erkältungssaison bei H zu Gast. Eigentlich befasse ich mich bei jedem dritten Ausgehen mit dieser Frage …
Ich muss ausgehen!
Genau deshalb will ich egoistischer werden. Wenn ich H unserer Kindersitterin nicht zumute – außer sie würde Zweifel anmelden – dann verliere ich zunehmend meine anderen Rollen. Ich bin dann Mutter eines behinderten Kindes. Ich verzichte auf die Frau und Partnerin. Ich verzichte auf die, die kulturelle Anregung braucht. Ich verzichte auf die, die Spaß haben will.
Das lässt sich auf zahllose andere Situationen mit H übertragen. Mute ich ihn anderen Menschen nicht zu, lasse ich Hilfe nicht zu, dann ist meine einzige Aufgabe, auf meinen behinderten Sohn achtzugeben. Dann gibt es keinen Platz für etwas anderes. Das ist auf Dauer zu wenig – zumindest für mich.
Deshalb gehe ich morgen Abend ins Theater. Unsere Kindersitterin weiß von H’s Erkältung und sagt, sie will es versuchen. Wenn es dunkel wird im Zuschauerraum werde ich sicher zum dritten Mal prüfen, ob mein Handy tatsächlich auf Vibration gestellt ist. Und ich werde mich kurz noch mal fragen, was ich der Kindersitterin da bloß zugemutet habe …
Hoffentlich kannst du den Abend genießen! Und hinterher das Gefühl, dass du auch den kranken H anderen „zumuten“ kannst.
Ja, wir waren im Theater und ja, es war richtig gut, mal wieder weg zu sein und eine Erfahrung weit außerhalb des Familienalltags zu teilen.
Und die Kindersitterin hat alles gut geschafft. Ich schreibe es mir hinter die Ohren!